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Rindsbouillon

Wolfgang Haak

 

Manch­mal nachts in die geball­ten Fäu­ste geheult, wenn die Lebens­pläne unterm Kopf­kis­sen schwel­ten. Mut­ter schlief ein­ge­hüllt in Zwie­bel­duft. Den Rotz auf der Backe mit dem Ärmel abge­wischt. Weißt du noch, damals, als die Kirsch­bäume ver­blüh­ten. Die Träume stan­den Schlange und bet­tel­ten um Ein­lass in dei­nen Schlaf. Die Tante, ver­bor­gen hin­ter einer wei­ßen Schürze, erzählte vom Krieg.
Manch­mal stieg etwas mit schwe­ren Trit­ten die Wen­del­treppe ums Brust­bein empor und der Schluck­re­flex arbei­tete wie wild. Bleib, wo du bist, elen­der Schwei­ne­hund. Unter einer Glüh­lampe erbro­chen, gallebit­ter. Die Schat­ten der Bäume feg­ten über die Wände, Gedan­ken ver­irr­ten sich im Wald. Win­zig unter einem Hau­fen Gän­se­fe­dern ver­bor­gen, fest­ge­klam­mert an ein Mär­chen­buch, durch die Decke des Zim­mers hin­durch geblickt: der Ster­nen­him­mel kalt wie eine Hun­de­schnauze, das Uni­ver­sum ohne Stimme. Ein­mal auf den Geschmack gekom­men, liebte der Nach­bar sein Weib wie immer in die­ser Stunde. Die Äng­ste unters Bett gescho­ben. Nur nicht gerührt, wenn Gevat­ter Tod am Fußende stand. Die Luft ange­hal­ten, bis end­lich die Turm­uhr schlug. Vor lau­ter Lebens­hun­ger den Magen verdorben.
Kotz nur Junge, sagte die Tante, die mir den Kopf hielt, kotz nur, spä­ter koch‹ ich dir Rindsbouillon.


aus: Treib­gut. Warm­zeit. Kurze Prosa, Frank­furt am Main 2004, Axel Diel­mann – Verlag.
Abdruck mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Autors. Alle Rechte beim Autor.

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