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Verstummter Leich

Gisela Kraft

 

für Johan­nes Bobrowski

vor fünf­und­sieb­zig jah­ren erschienen
seit sie­ben­und­zwan­zig fort
die wucht des drei­vier­tel jahrhunderts
schlägt fei­ern aus der apathie
saum­küs­ser laden nach friedrichshagen
die räu­dige kir­che schuppt sich
hier sang er im chor! schnarrt
der pfaff der ihn eingescharrt
frei­lich ein dich­ter! wenn­z­war christ
also schnauft der poe­ti­sche pöbel
ins vesti­bül. feind und feindin
ver­schrän­ken ihre gesäße
wie sterb­lich er war. pest der penicilline
sein blut unter der ach­sel des nachfahrn
neben­dran gott im ver­ram­mel­ten käfig
über den wänden 
stein, über den bögen 
die kup­peln aus wind 
ver­sun­ken vermuschelt
die göt­tin der nebenbedeutung
weint in weiß. unsereins
leert die blase bei trocke­ner kehle

Ber­lin-Fried­richs­ha­gen, 9. April 1992


Lesung am 28. Januar 2004 im Musik­gym­na­sium Schloß Bel­ve­dere in Weimar.
Text aus: Matrix. Gedichte mit Ori­gi­nal-Off­set­li­tho­gra­phien von Wal­ter Sachs, Ere­mi­ten-Presse, Düs­sel­dorf 2003.
Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung von Almut und Rein­hild Cleff.

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