Sandra Blume
Dinge, die sich nicht ändern,
sind Anker in der Zeit.
Sind Tauben
auf dem Dachfirst des Waldhofes,
die seit Jahr und Tag
Morgensonne auf dem Gefieder haben.
Ist der Waldhof selbst,
wo der Großvater die Kühe zur Weide trieb,
dann der Vater
und nun der Sohn.
Sind die Kopfweiden am Weg
und der Kirchturm im Dorf,
an denen der Blick Halt findet,
an denen der Gedanke Halt findet,
im unablässigen Fortschritt,
der sich in Schichten
auf die Landschaft legt
und die Vertrautheit der Dinge
fremd überzieht.
Bis auch dieses Fremde
mit den Jahren
Gewohntes wird.
Während zugleich
die verlorenen Dinge noch immer
wie unsichtbare Löcher
in der erinnerten Gegend klaffen.
Vergangenes verschwindet nie vollständig.
Es ruht nur verborgen
unter den Krusten
abgelaufener Zeit.
aus: Lichtfänger, Jahresgabe der Literarischen Gesellschaft Thüringen, Bd. 19, Weimar 2021.
Alle Rechte liegen beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorin.