Wolfgang Haak
die weinberge im blütengrund bei großjena leuchten im späten herbst. das blatt am rebstock, die wellen der unstrut und hinter erlengebüsch das segel flußaufwärts sind zu licht geworden wie die neuenburg hoch über den muschelkalkhängen und die dächer der lauben zwischen den rebzeilen. ein bronzener athlet kniet auf klingers grab. sein schatten wandert gegen abend. erdgeruch über brachliegenden äckern. äpfel, quitten und birnen leuchten in den gärten am hang. trunken vom licht tanzen ihre farben durch die heiterkeit des spätnachmittags. die kirchen von nißmitz, freyburg und kleinjena recken noch einmal ihre türme in die höhe, ehe sie im dunst verschwimmen, der aus der flußniederung quillt. alles ist noch einmal zu licht geworden. die trockenmauern am weinberg stein für stein erwärmt für die nacht, die ihre nebelschleier schon über das saaletal breitet.
fern trotzen der dämmerung nur noch die türme des naumburger doms sankt peter und paul.
aus: lebensumwege. prosastücke in kurzfassung, Edition Muschelkalk, hg. Wulf Kirsten, Weimar 2001, Wartburg Verlag.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors. Alle Rechte beim Autor.